Zaghafter Größenwahn
„Der kleine Mann“ (ab Dienstag, 22.45 Uhr, Pro7) kann sich nicht zwischen Avantgarde und Mainstream entscheiden. Und zeigt mal wieder, daß bei deutschen Sitcoms noch viel Luft nach oben ist.
„Man muß nicht studiert haben, um ,Der kleine Mann‘ lustig zu finden“, läßt sich Ralf Husmann, Autor und Produzent des „Kleinen Manns“, in der Pressemitteilung zu seiner neuen Serie zitieren. Wem nichts Gutes bei diesem Satz schwant, liegt richtig — bei welchen Comedyformaten muß man schon studiert haben, um sie lustig zu finden?
Rüdiger Bunz (Bjarne Mädel, der Ernie aus „Stromberg“) hat sicher nicht studiert. Er arbeitet in einem kleinen inhabergeführten Elektroladen, repariert netten Omis schon mal gratis den Staubsauger, ist Mitte dreißig und seit zehn Jahren verheiratet: „Hält schon länger als das Dritte Reich. Und ist meistens auch lustiger.“ Bunz ist „ein Mann wie ein Opel Corsa“, er ist der titelgebende „kleine Mann“: eine gleichzeitig kleinbürgerliche und überlebensgroße Existenz aus einem Paralleluniversum der guten Nachbarschaft und herzigen Naivität. Eines Tages erlangt er durch TV-Werbespots für einen Schnaps namens „Der kleine Mann“ eine gewisse Prominenz und wird in der Folge in eine halbglamouröse Welt von Fernsehstars und Werbemillionen gezogen, in der er sich deplatziert fühlt und mit der er nichts zu tun haben will. Zunächst.
Dann will er aber doch, die Macht der Verführung ist einfach stärker. Also fällt er auf falsche Freunde herein wie den koksenden Starkoch, der mit ihm ein „Kleiner Mann-Kochbuch“ machen möchte („Wer weiß schon noch, wie man ein Käsebrot macht?“), und trifft Prominente wie Sarah Wiener, die sich mit angenehmer Ironie selbst spielen. Darüber vergißt Bunz schließlich seine Frau, seine wahren Freunde, seine Herkunft — mit den entsprechenden Konsequenzen.
Für deutsche Sitcomverhältnisse ist das ein ambitioniertes Setting und meilenweit entfernt vom Unfug der meisten Plots der Marke „Alles Atze“, wo Atze schon mal seinen Kiosk zu einer Kindertagesstätte erweitert, was alle Mütter in der Nachbarschaft in Begeisterungsstürme ob dieser „Idee“ ausbrechen läßt. Husmann bemüht sich redlich, eine Story zu erzählen, die in Zeiten, wo Hartz-IV-Empfänger mit Mundharmonikaspielen über Nacht berühmt werden können, durchaus glaubwürdig erscheint. Er schafft Fallhöhe auf eine Weise, wie man es noch nicht zigfach gesehen hat.
Doch es bleibt ein schaler Nachgeschmack. Denn den Mut, seinen Protagonisten seiner Fallhöhe entsprechend auch mal hart aufschlagen zu lassen, hat „Der kleine Mann“ dann wiederum nicht. Bunz Größenwahn bleibt immer zaghaft, meist ist er sogar so weit Herr der Lage, daß er seine Situation aus dem Off reflektieren kann: „ne Flachzange wird durchs Fernsehen jetzt nicht plötzlich n Hammer, das stimmt schon“, sagt er an einer Stelle, oder: „Es muß nicht jeder im Fernsehen sein. Davor bin ich auch viel besser aufgehoben.“
Hier wollte jemand die Quadratur des Kreises: eine Synthese aus positivem und negativem Helden, damit der kleine Mann bloß nicht zu unsympathisch erscheint. Um Himmels willen kein Arschloch, das man einfach mal auslachen könnte, wenn es verdientermaßen auf die Fresse fiele. Sondern lieber eine Identifikationsfigur, einen Normalo, einen Heinz Rühmann der Post-„Stromberg“-Ära. Nun konnte Rühmann wenigstens schauspielen; ein Talent, mit dem Mädel leider nicht gesegnet ist.
Husmann geht mit diesem Mittelding aus Unsympath und nettem Kerl einen Schritt zurück hinter die von ihm geschriebene Sitcom „Stromberg“, wo die Hauptfigur ein gefühlloses Ekel sein durfte, das man zuvor selten in dieser Lupenreinheit gesehen hatte. Das war streckenweise komisch und am deutschen Durchschnitt gemessen weit vorne — hatte aber statt guter Quoten stets nur wenige hartnäckige Fans, die sich via Zeitungsfeuilleton mit ihrer Meinung Gehör verschafften, „Stromberg“ sei nun endlich mal gutes deutsches Oberschichtenfernsehen. Vor diesem Hintergrund leuchtet auch Husmanns Satz ein, man müsse nicht studiert haben, um den „Kleinen Mann“ lustig zu finden: Dies mal müssen nun aber bitte schön wirklich alle mit.
Leider aber ist der Spagat zwischen Mainstream und Avantgarde etwas zu gewagt, und wie das so ist mit verunglückten Spagaten: Sie können ganz schön wehtun.
Zuerst, äh, in der Zukunft erschienen in der taz vom 24. März. Eine zweite Meinung zum Thema gibt es in der Frankfurter Rundschau.
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