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Artikel Tagged ‘The West Wing’

Große Egos, große Show

Man hat es nicht leicht mit Aaron Sorkin („The West Wing“, „The Social Network“). Der Mann hat einfach ein zu großes Ego, eines, das ihn dazu zwingt, immer wieder Botschaften vermitteln zu wollen, obwohl er vermutlich selbst weiß, dass er doch immer nur zu den Bekehrten predigt.

Das Predigthafte stört am meisten an „The Newsroom“ (HBO; die erste Staffel ist gerade auf DVD erschienen, die zweite läuft momentan in den USA): dauernd wird der Zuschauer unterrichtet. Mal politisch (Republikaner schlecht, Demokraten gut), mal über den Zustand der Medien (liegt einiges im Argen). Dann wieder probiert sich Sorkin zum Ausgleich an Momenten romantischer Komödien — und auch die gehen regelmäßig daneben. Das Verblüffende ist nur: trotzdem ist „The Newsroom“ sehr unterhaltsam; trotzdem gibt es regelmäßig etwas zu lachen.

Denn nicht nur erzählt Sorkin gute Geschichten und entwickelt plausible Charaktere, seine Figuren reden auch noch durchgehend aberwitzig schnell und denken noch schneller. Jeder Schlagabtausch ist, wo nicht witzig, so doch mindestens gewitzt, sprich: scharfzüngig und clever. Das ist natürlich manipulativ, denn so hat man auch als Zuschauer das Gefühl, selbst gewitzt und clever zu sein, zumal wenn man zu der politischen Haltung neigt, die hier permanent demonstriert wird.

Zum Glück nimmt ausgerechnet die Hauptfigur oft das Tempo ein bisschen heraus: Will McAvoy (Jeff Daniels), der Mann mit dem größten Ego innerhalb der Serie. Will ist Anchorman des fiktiven Kabelsenders Atlantis Cable News, und er bekommt unanständig viel Geld dafür, seine Meinung für sich zu behalten. Damit allerdings ist in der ersten Folge Schluss: Will faltet bei einer universitären Veranstaltung von der Bühne herunter eine patriotische Studentin zusammen, erklärt ihr en détail, was schiefläuft in den USA, und bemüht sich fortan (gegen den Widerstand der Senderchefin [sehr gut: Jane Fonda]), aufklärerische, einem ethischen Journalismus verpflichtete Nachrichten zu machen. Dabei steht ihm seine Exfreundin MacKenzie McHale (Emily Mortimer) und ihr Team zur Seite, und „The Newsroom“ erzählt in der Folge pro Episode, was während tatsächlicher Nachrichtenereignisse — etwa des Öl-Lecks im Golf von Mexiko, der Atomkatastrophe von Fukushima oder der Erschießung bin Ladens — hinter den Kulissen der Nachrichtensendung vor sich geht.

Das sind Kämpfe gegen die kommerziell ausgerichtete Muttergesellschaft, die nur an Quote und Werbeeinnahmen interessiert ist, das sind Fragen um den richtigen Umgang mit Interviewgästen, für die der Interviewer auch dann eine gewisse Verantwortung hat, wenn sie erkennbar im Unrecht sind, und nicht zuletzt Dilemmata den Umgang mit Journalistenkollegen betreffend, die es sich im Boulevard eingerichtet haben wie Maden im Speck. Selbstverständlich neigt Will McAvoy zu einem herablassenden Umgang mit Tabloid-Reporterinnen, und es gehört zu den schönen Momenten der Serie, wenn er mal wieder eine Reporterin kleinmacht und daraufhin mehrfach Getränke ins Gesicht geschüttet bekommt. Da kommt Freude auf — obwohl die Show keinen Zweifel daran läßt, dass Will im Recht ist — denn er hat die nötige Fallhöhe, und Jeff Daniels die richtige Auswahl von blasierten Gesichtsausdrücken im Schrank, die ihn zu einer komischen Begabung machen.

Um es noch einmal ganz klar zu sagen: Es ist nicht alles gut in „The Newsroom“. Die Serie ist nervtötend moralisch, oft pathetisch, Will McAvoy wird bei aller Arschlochhaftigkeit doch viel zu heldenhaft dargestellt, und von Sorkins Frauenbild möchte ich nicht einmal anfangen. Es ist mithin ein arges Durcheinander zu besichtigen in „The Newsroom“. Aber doch ein recht kurzweiliges und unterhaltsames.

In the Loop

29. August 2009 Keine Kommentare

Internationale Diplomatie ist ein Geschäft, in dem es auf jedes einzelne Wort ankommt, das öffentlich geäußert wird. Briten wiederum sind die Großmeister internationaler Diplomatie und verstehen sich darum bestens auf Wortklauberei. Mit einer Ausnahme vielleicht: der des unbedarften Minister for International Development Simon Foster (Tom Hollander). Der äußert sich, in einem harmlosen Radiointerview überrumpelt, zur britischen Haltung zu einem möglichen Krieg im Mittleren Osten: „War is unforeseeable“ — Krieg ist nicht vorhersehbar. Harmlos, sollte man meinen — doch diese drei Worte werden dem eigentlich eher bedeutungslosen britischen Minister zum Verhängnis, denn die britische Politik zu den Kriegsplänen der Amerikaner ist die, daß Krieg weder vorhersehbar noch unvorhersehbar ist.

Zunächst fällt in Armando Iannuccis brillanter Polit-Satire „In the Loop“ (BBC Films, 2009, seit letzter Woche auf DVD erhältlich) daraufhin die nationale Großpolitik in Gestalt des Spin-Doctors Malcolm Tucker (Peter Capaldi), der für den Prime Minister den Einpeitscher spielt, über den armen Foster her. Tucker versucht sich in Schadensbegrenzung („You may have heard him say that, but he didn’t say that. And that’s a fact“) und befleißigt sich im Übrigen im Umgang mit seinen Schäfchen einer Sprache, die das genaue Gegenteil von diplomatischem Understatement ist. Sie ist sogar so grenzenlos obszön, beleidigend und beißend vulgär, daß es die reine Freude ist, ihm bei seinen Schimpftiraden zuzuhören:

„Get me fucking Brian. If you don’t get  me Brian, I’m gonna come over there, I’m gonna lock you into a fucking flotation tank and pump it full of sewage until you fucking drown!!!“

Leider ist Foster auf eine David Brent-artige Weise einfältig genug, sich bei der nächsten Gelegenheit abermals öffentlich zu einem möglichen Krieg zu äußern („To walk the road of peace, sometimes we need to be ready to climb the mountain of conflict“), und so setzt er eine Kettenreaktion in Gang, bei der ihn sowohl amerikanische Befürworter als auch Gegner eines Kriegs für ihre Zwecke einspannen möchten — so daß Tucker kaum noch nachkommt mit seinen Versuchen, zu retten was zu retten ist.

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