Archiv

Artikel Tagged ‘Top Gear’

Mehr Drama, Baby!

22. Januar 2019 Keine Kommentare

Es gilt halt letztlich doch: ohne Konflikt ist alles nix. Verblüffend nur, dass das auch für sowas wie Auto-Shows gilt.

Die drei enfants terribles der Autoshows jedenfalls dürfen, seit sie zu Amazon Prime gewechselt sind und ihre Show nicht mehr „Top Gear“ heißt, sondern „Grand Tour“, machen, was sie wollen. Klingt traumhaft, führt aber zu verblüffend langweiligen Sendungen.

Gerade ist „Grand Tour“ in die dritte Staffel gestartet, und dass James May mittlerweile Jeremy Clarkson im Dickwerden noch zu übertreffen versucht, deutet schon drauf hin, wie bequem sie es sich eingerichtet haben mit ihrem Alterswerk. In der ersten Folge jedenfalls genügt es ihnen — bis auf einen Test eines sog. McLaren Senna –, mit drei Muscle Cars durch das sterbende Detroit zu heizen und sich über urban gardening zu mockieren, sprich: durch Gemüsebeete zu fahren, die sich Selbstversorger angelegt haben.

Das ist zwar völlig konsistent mit allem, was „Top Gear“ schon an Umwelt-Ignoranz an den Tag gelegt hat — aber es hat mittlerweile etwas Abgeschmacktes, was nicht nur daran liegt, dass da drei (vermutlich) Millionäre, alte, weiße Männer, sich über Armut lustig machen. Das alleine fände ich schon grenzwertig, zumal es ja nun in allererster Linie die hier mit Hochglanzbildern beworbene Automobilindustrie und ihre Lobbyisten waren, die ganz Detroit in Armut gestürzt haben, und zwar nicht die Manager, sondern die Trottel am Band, deren Immobilien nun so wenig wert sind, dass sie kaum noch umziehen können.

Dick im Geschäft: May, Clarkson, Hammond in „The Grand Tour“

Nein, die Fadesse von „Grand Tour“ hat auch etwas mit den inneren Mechanismen der Show zu tun: nämlich dass es mittlerweile keinerlei Konflikt mit Kontrollinstanzen mehr gibt, die zumindest bei der BBC noch vorhanden waren. Ein Großteil des Spaßes war es halt doch zu sehen, wie Clarkson, Hammond und May sich den Auflagen ihrer Redaktion zu entziehen versuchten oder zumindest die Regeln wenn schon nicht brachen, so doch in ihrem Sinne verbogen. Da wurden eben doch noch Service-MAZen simuliert, Gebrauchs- und Alltagsautos zumindest mit Rezensionsparodien versehen, die Nähe zum Zuschauer wenigstens durch ihre explizite Verhöhnung noch in die Show geholt.

Der Freibrief aber, den Streaminganbieter ihren Stars geben, führt nicht zwangsläufig zu besseren Shows. Eher im Gegenteil. Der Wiener Standard hat neulich in einem lesenswerten Stück darüber sinniert, ob das Prinzip des „Hauptsache viel und prominent“, dem Netflix, Amazon & Co. ihre Qualitätskontrollen offenbar geopfert haben, nicht auf die Dauer Fernsehserien eher ruiniert.

Für „The Grand Tour“, so scheint es gerade, trifft das wohl zu. Schad‘ drum.

Some random „Top Gear“ facts

26. Januar 2016 1 Kommentar

Aus dem schönen Buch „And On That Bombshell“ von Richard Porter, dem langjährigen Script Editor der größten Auto-Fernsehshow der Welt:

Auch im „Top Gear“-Team wusste lange Zeit niemand, wer „The Stig“ war — nicht zuletzt, weil sich (zumindest der erste „Stig“) einen falschen französischen Akzent zulegte, um sich nicht durch seine Stimme zu verraten, wenn er dann doch mal ein paar Sätze mit Leuten von der Produktion wechseln musste.

Tatsächlich war es dem Team bei Androhung von fristloser Kündigung nicht nur verboten, die Identität des „Stig“ zu verraten, sondern sogar, sie überhaupt herauszufinden.

„The Stig“ sollte zunächst „The Gimp“ heißen, nach dem maskierten „Gimp“, der auf den geknebelten Bruce Willis in Quentin Tarrantinos „Pulp Fiction“ losgelassen werden soll. Die BBC verbat sich allerdings diese Anspielung, und das Team musste einen neuen Namen finden.

Die legendären Rennen zwischen den „Top Gear“-Moderatoren, etwa um die Frage zu klären, ob man mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Auto schneller von England nach Südfrankreich kommt, wurden alle tatsächlich durchgeführt. Außendrehs, in denen man die Autos vor der Kamera vorbeifahren sieht, wurden allerdings oft am Tag danach nachgedreht.

Die interessante Frage, ob ein Affe ein Auto zu fahren in der Lage wäre, konnte leider nie geklärt werden — leider fand sich kein Affenzulieferer, den man hätte ansprechen können, und auch den Mitarbeitern eines bekannten Monkey Sanctuary konnte niemand vermitteln, dass ein Affe womöglich sogar Spaß daran hätte haben können, eine Runde in einem automatikgetriebenen Wagen zu drehen.

Apropos „Top Gear“ und Tiere: Auch die Idee, sich den Top Gear Dog zuzulegen, der Clarkson, May und Hammond durch die achte Staffel begleitete, stellte sich als nicht allzu durchdacht heraus: dem Labradoodle wurde es regelmäßig beim Autofahren schlecht, und so lebhaft er war, wenn die Kameras nicht liefen — sobald die Show aufgezeichnet wurde, legte er sich einfach irgendwo im Studio zum Schlafen hin. Aber auch davon abgesehen — es hatte offenbar niemand so weit gedacht, dass man mit einem Hund in der Show dann ja auch irgend etwas hätte machen  müssen. Und so wurde der Hund zu einem der zahlreichen Haustiere, die Richard Hammond auf seiner Farm beherbergt.

Das als reasonably priced car bekannt gewordene Segment, in dem ein Star ein preigünstiges Auto um den Top Gear Testtrack prüglen durfte, entstand nur, um in dieses bräsige Auto einen speziellen Stargast zu setzen, dessen mondäner Stil damit auf größtmögliche Weise kollidiert wäre: Bryan Ferry. Für dieses Vergnügen nie gewonnen werden konnte allerdings ein spezieller Star: Bryan Ferry.

Kapitalismusporno, I love you

23. Oktober 2015 5 Kommentare

Ich wäre mal gerne bei einem Treffen von Programmverantwortlichen des deutschen Fernsehens dabei, wo folgendes Format vorgeschlagen wird:

„Hey, wie wäre es damit: ein Zweiteiler, Dienstag- und Mittwochabend, Hauptsendezeit, je 90 Minuten. Wir zeigen, wie ein Auto gebaut wird — vom der Stahlrolle bis zur Auslieferung. Und zwar, haltet euch fest: LIVE! Sagen wir mal, aus München, BMW-Werk, der neue Dreier?“

Genau das hat die BBC jetzt gemacht: „Building Cars Live“, diese Woche Dienstag und Mittwoch auf BBC2 je um 19.30 Uhr.

Tatsache: Da standen James May (of „Top Gear“ fame), Kate Humble und Ant Anstead (der seit letztem Jahr zusammen mit Philip „Live on Mars“ Glenister fürs Fernsehen schrottreife Oldtimer wiederaufbaut) in der Minicooper-Produktionsstätte in Oxford und berichteten mit dem britischen Stolz auf eine Ikone der Automobilgeschichte und auf britisches Ingenieurswesen in den hochglänzendsten Bildern, nun ja: wie heutzutage Autos gebaut werden. (Dass der ganze Krempel BMW gehört und insofern da vermutlich eher deutsches Ingenieurswesen am Start ist, spielte dabei nur eine sehr, sehr untergeordnete Rolle.)

Kapitalismuspropaganda pur, Konsumfetischierung vom Feinsten. Und ich fand’s super. Und zwar schon alleine wegen des originellen Formats.

(Na gut, und weil ich eine Schwäche für den [alten] Mini habe, seit ein Freund von mir Anfang der Neunziger einen MKII von 1987 hatte und ich dieses Auto sympathisch fand wie kaum ein anderes.)

Klar, da war nicht alles live: Live waren vor allem die Moderationen, Gespräche mit ehemaligen und derzeitigen Arbeitern, und der Versuch, einen konkreten Mini in der Entstehung zu begleiten. Annähernd zwei Drittel der Show waren selbstverständlich vorbereitete Einspieler: über die Technik, Logistik, Qualitätskontrolle, über die Geschichte des Mini, Roboter und ihre Wartung, über handgemachte Autos bei Morgan und Sci-fi-Produktionsstätten bei McLaren.

Aber live war, wie James May sich beim Versuch blamiert, selbst Hand anzulegen und Hackklappen zu montieren, wie Ant Anstead sehr gelassen einen Mini rückwärts oben auf einen Autotransporter fuhr, und live war auch der Anstieg meine Lernkurve.

Was durchaus beabsichtigt war: „Building Cars Live“ ist in Zusammenarbeit mit der „Open University“ entstanden, also tatsächlich eine Art „Sendung mit der Maus“ für Erwachsene.

Nun weiß ich also, dass in Oxford alle 68 Sekunden ein Mini vom Band rollt, dass dabei kein Auto mit dem nächsten identisch ist, sondern alle möglichen Modelle und Ausstattungsdetails nacheinander zusammengebastelt werden, und dass das tatsächlich eine beeindruckende Logistik benötigt, weil der Nachschub von Bauteilen „just in time“ ist, so dass ein Stau auf der Autobahn oder gar Streiks an neuralgischen Verkehrsknotenpunkten (Eurotunnel!) dazu führen kann, dass Teile per planes, traines and autombiles herbeigeschafft werden müssen. Notfalls sogar per Hubschrauber.

Zwei neunzigminütige Werbeclips für Mini/BMW, wie gesagt, ich bin mir dessen bewusst — aber was für welche!

Stand Up in den Zeiten von Twitter

1. Februar 2012 2 Kommentare

Was kann Bill Hicks froh sein, dass er zu Zeiten lebte, als Twitter noch nicht erfunden war! Der Mann kam sein ganzes (zugegeben kurzes) Leben praktisch mit den gleichen 120 Minuten Material aus, das er immer und immer wieder verwendete. Gutes Material, sicher. Aber halt doch recht überschaubare Mengen davon.

Stewart Lee dagegen, dessen neues Programm „Carpet Remnant World“ ich in London zu sehen die Gelegenheit hatte, berichtet von eher neuen Problemen: Nach zwei Staffeln „Comedy Vehicle“, die je (fast) drei Stunden (fast) neues Material erforderlich machten, braucht er dringend frischen Witze-Stoff — schließlich kommt ein Teil seines größer werdenden Publikums, nachdem es die Show gesehen hat, und will keine alten Scherze nochmal vorgesetzt bekommen. Neue Scherze probiert er regelmäßig in 20-Minuten-Slots zusammen mit anderen Comedians in Pub-Hinterzimmern aus, um ein Gefühl für Form und Inhalt zu bekommen; Scherze also, die er eventuell erst ein paar Stunde zuvor geschrieben hat und die noch längst keine endgültige Form haben. Scherze aber, die er am gleichen Abend noch bei Twitter nachlesen kann, wo Hardcore-Fans sie bereits der Weltöffentlichkeit zu lesen geben. Womöglich mit der Anmerkung: Schwach! Früher war er besser!

Schlechte Zeiten für Stand Up-Comedians also. Immerhin das Filmen und Fotografieren kann man dem Publikum verbieten, und das wird auch recht strikt durchgesetzt. Zumal es in Lees aktuellem Programm selbstverständlich wieder um Meta-Ebenen geht und deshalb einzelne Witze, aus dem Zusammenhang gerissen, leicht verfälscht wiedergegeben werden können, selbst als Film-Clips. In „If You Prefer a Milder Comedian, Please Ask for One“ war es ein Rant über „Top Gear“ und darüber, dass er sich wünsche, Richard „The Hamster“ Hammond sei bei seinem Raketenautounfall brutalst zu Tode gekommen; ein Rant, der nur verständlich war, wenn man seinen Rahmen kannte: Nämlich dass Lee den skrupellosen Humor von „Top Gear“ und das Bullying v.a. Jeremy Clarksons zum Gegenstand gemacht hatte („It’s only a joke, like on ‚Top Gear‘!“). Schon da versuchte die Yellow Press (vergeblich), Lee ans Bein zu pinkeln; im Falle eines anderen Rants gegen Michael McIntyre, der, laut Lee, seinem Publikum seine „warme Diarrhoe mit dem Löffel verabreicht“, klappte das schon besser: Da ließ sich für das ungeübte Auge nicht so leicht erkennen, dass das lediglich der extrem neidische Blick einer Bühnenfigur war, die Lee spielt, nämlich sein Alter Ego als erfolgloser Stand Up-Comedian, der dem familienkompatiblen, sprich: sehr harmlosen McIntyre dessen irren Erfolg neidet. Und vor allem dessen Möglichkeit, äußerst schlichte observational comedy zu machen.

In Lees neuem Programm geht es unter anderem um Islam und scheinbar naive Kinderfragen (Lees Sohn ist, glaube ich, fünf); abermals ein (vorgeblicher) Versuch, beobachtende Comedy zu machen, und der Bericht darüber, wie schwierig das ist und wie ermüdend. Abermals versucht Lee, sein Publikum in die Irre zu führen, es glauben zu lassen, seine Witze verhungerten auf offener Bühne, er, Lee, könne also gar keine Stand Up-Comedy. Aber das klappt schon nur noch bedingt. Mittlerweile wissen zum Glück doch die meisten, wie gut Stewart Lee wirklich ist, obwohl er immer noch damit spielt, dass ein Teil seines neuen Publikums falsche Erwartungen hat und doch besser gleich heimgehen sollte.

Noch ein Problem der modernen Welt: Lees Publikum ist intelligent genug, das Internet bedienen zu können, und lädt sich deshalb seine DVDs zunehmend illegal herunter. Ein Problem, harrharr, das Michael McIntyre nicht hat — sagt Lee. Shame! Besser: online bestellen! Meine Tips wären: „Stewart Lee’s Comedy Vehicle“ (die zweite Staffel) und die letzte Live-Show „If You Prefer a Milder Comedian, Please Ask for One“. Und für weitergehend Interessierte: seine Quasiautobiographie „How I Escaped My Certain Fate“ mit vielen Stand-Up-Transkripten (das „Album“, sozusagen) sowie die letzte „EP“, also den Text von „If You Prefer…“ (hierzulande leider nur für Kindle erhältlich), wie schon in der Autobiographie mit zahlreichen Fußnoten versehen, die Absatz für Absatz erklären, was da wie funktioniert. Für Humortheoretiker eine prima Sache!

Stewart Lee vs. Top Gear

12. November 2010 1 Kommentar

Die Zeiten, in denen Stewart Lee von seinen Tourneen ärmer nach Hause kam, als er losgefahren war, sind noch gar nicht so lange her. Ein Vorwurf, den Kritiker ihm in dieser Phase seiner Karriere immer wieder machten, war: Er beherrscht sein Publikum nicht; er schafft es nicht, seine Zuschauer zu fesseln; es gibt immer wieder lange Phasen ohne erkennbare Gags, in denen sich Unwohlsein im Auditorium breit macht, bis Lee es zurückgewinnen kann. Mittlerweile spielt Lee vor großen, gut gefüllten Rängen, und Fans wie (die meisten) Kritiker haben begriffen: Er macht das absichtlich. Die Dekonstruktion der comedy routine ist zentraler Bestandteil seiner Show, nicht etwa ein Fehler oder Unvermögen. Ganz im Gegenteil: Stewart Lee beherrscht (nach immerhin 20 Jahren im Business) diesen Kniff meisterlich.

Keine Frage also: die ersten zehn Minuten „If You Prefer a Milder Comedian, Please Ask For One“*, in denen weder der große Auftritt mit Kunstnebel und Light Show zu funktionieren scheint, in denen das Publikum auf seine Fragen Antworten gibt, mit denen er scheinbar nichts anfangen kann, in denen er wieder und wieder von vorne anfängt und schließlich damit beginnt, wie merkwürdig und unnatürlich es doch ist, daß Comedians auf die Bühne gehen und aus dem Nichts auf irgend ein Thema zu sprechen kommen — diese Selbst-Sabotage ist Inszenierung, und Lees Publikum weiß das auch. (Kein Zufall übrigens auch, daß die Show nicht in London gefilmt wurde, sondern in Glasgow, vor einem Publikum, das Lee für chronisch unzugänglich und widerborstig hält.)

Weil das Publikum nun aber so genau weiß, was Lee vorhat, kann, ja: muß er schwerere Geschütze auffahren, um die Leute aus der Reserve zu locken. Das schwerste Geschütz in seiner jüngsten (und m.M. besten) Show ist eine Suada, die geschlagene 40 Minuten dauert, sich also genügend Zeit nimmt, immer furioser auf einen sagenhaft lustigen Höhepunkt von Beschimpfungen und wüsten Todeswünschen hinzuarbeiten, und mit der Lee eine der beliebtesten Fernsehshows Englands aufs Korn nimmt: „Top Gear“. Hier die ersten Minuten (die retrospektiv gesehen von äußerster Harmlosigkeit sind):

Video leider nicht mehr online

Wie Stewart Lee sich im Verlauf der restlichen Show in eine Art Nervenzusammenbruch hineinsteigert, sollte man gesehen haben. Schon damit man anschließend das Bonus-Material-Interview umso mehr genießen kann, in dem Lee dem Schauspieler Kevin Eldon haarklein erzählt, wie kalten Herzens er sich auf „Top Gear“ kapriziert habe: weil er genau wisse, daß jedes Publikum mindestens zur Hälfte „Top Gear“ verehrt. Wie Lee die vorsätzliche, gut bezahlte political incorrectness von Jeremy Clarkson übernimmt und gegen ihn richtet („It’s only a joke! Like on Top Gear!“), und wie er vor allem Richard Hammonds feige Wieselhaftigkeit zerlegt, mit der sich dieser mit seinen eigenen Bullys identifiziert: Das ist vom Feinsten.

Tut aber meiner eigenen Begeisterung für „Top Gear“ selbstverständlich keinen Abbruch. Wenn das diese berühmten Widersprüche sind, mit denen man in der Postmoderne leben muß, dann soll sie mal ruhig weitermachen, die Postmoderne.

*DVD hat Untertitel

Trottel unterwegs

27. September 2010 3 Kommentare

Dies sei, so Ricky Gervais in den ersten Minuten von „An Idiot Abroad“ (Sky1), nichts anderes als ein sehr teurer practical joke, und Karl Pilkington „an idiot in a corner, poked by a stick — and I am the stick“. Zu vorgeblich keinem anderen Zweck, als um Pilkington zu foppen, schicken Gervais und Merchant den Simpleton-Sidekick aus ihren höchst erfolgreichen Podcasts um die Welt. Die sieben Weltwunder soll er bereisen, und dabei immer genau das tun, was die Bullys zuhause ihm via iPhone auftragen: In der ersten Folge etwa, die Chinesische Mauer zu besichtigen — und zwar in ihrer gesamten Länge.

https://www.youtube.com/watch?v=VpePyoqbtJ0?fs=1&hl=de_DE

Das tut Pilkington dann auch brav, immer schön das Trottelgesicht mit offenem Mund und halb geschlossenen Augen aufgesetzt, und jammert sich durch halb China: die Chinesen können seinen Namen nicht aussprechen („It’s not car, it’s Karl!“), essen ekelhafte Insekten am Spieß, Hühnerföten und Kröten, denen sie vor laufender Kamera die Köpfe einschlagen und die Haut über die… über das ziehen, was auch immer Kröten anstelle von Ohren haben. Außerdem versteht Pilkington die Schriftzeichen nicht, muß im Bus neben einer Frau sitzen, die fortwährend Rotz hochzieht und in eine Plastiktüte spuckt, und darf sich beim Kung Fu blamieren. „Are you having a laugh?“ fragt er hin und wieder entgeistert, und man fragt sich, wer diese Catchphrase nun von wem übernommen hat. (Ich habe allerdings die Podcasts nicht gehört, falls das da thematisiert worden sein sollte.)

Es ist tatsächlich alles ein einziger großer Streich, dem man als Zuschauer beiwohnt. Trottel Pilkington läßt einiges über sich ergehen, obwohl er keinerlei wirkliches Interesse für seine Umwelt hat — die betrifft ihn nur insofern, als er sich von fehlenden Toilettentüren indigniert sieht, beim Krötenessen würgen muß und bei einer traditionellen Massage halb flambiert wird. Er wird vom Reisen nicht klüger, allenfalls dümmer, und im Grunde will er nur nach Hause.

Diese Umkehrung der Vorzeichen für eine Reisereportage ist zunächst durchaus clever und lustig. Ein Reisender, für den das Reisen eine Qual und alles, was im fernen Ausland passiert, im Grunde nur unverständlich ist und potentiell demütigend für Fremde, hat für eine Fernsehdokumentation nur einen Nachteil: So richtig zu erfahren gibt es nichts. Also bleibt, wenn man sich von Pilkington und seiner Trottelrolle nur so halb unterhalten fühlt, von „An Idiot Abroad“ kaum mehr übrig als Bilder vom chinesischen Alltag. Die sind zugegeben recht hübsch anzusehen, weil sie nicht nur den Ausschnitt zeigen, den alle anderen Reisereportagen präsentieren.

Aber irgendwie wurde zumindest ich das Gefühl nicht los, daß da etwas fehlte, und zwar möglicherweise etwas Entscheidendes. Vielleicht auch, weil ich Pilkington seine Trottelrolle und die Demütigungen viel weniger abnehme als sagenwirmal James May, der bei „Top Gear“ eine ganz ähnliche Rolle spielt und bei sämtlichen größeren Abenteuern der drei immer die Arschkarte zieht, immer gedemütigt wird — und dabei aber immer etwas glaubwürdiger in dieser Rolle ist als Pilkington.