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Erbfolge in Serie

7. November 2018 5 Kommentare

In jeder Erbengemeinschaft steckt das „gemein“ ja schon drin. Sie streiten sich, immer, denn sie können sich nie auf was einigen, diese verblödeten Nachkommen: der eine zu doof, der andere zu machthungrig, die dritte zu abgestoßen von der ganzen Familie, der vierte hält sich wieselhaft aus allem heraus, um Ende auf der Seite des Gewinners wieder aufzutauchen. Erben …! Um so problematischer natürlich, wenn das Erbe noch gar nicht zu verteilen ist, weil der Alte ja noch lebt.

Hier liegt der Stoff für die Konflikte, um die es in „Succession“ (HBO) geht. Nur dass die Familie nicht die Durchschnittsnachbarn mit Mietshaus und Aktienfonds sind, sondern die eines Medienzaren, vergleichbar mit, sagen wir mal, der Rupert Murdochs (kein Zufall, dieser Vergleich). Und das Erbe dementsprechend ein Imperium, das der Alte nicht und nicht aus der Hand geben möchte. Trotz Krankheit, Alter und allgemeiner Erschöpfung.

„Succession“ stammt aus der Feder von Jesse Armstrong, dessen Frühwerk „Peep Show“ war, eine Kollaboration mit Sam Bain, wie auch in etlichen anderen Fällen (von „Smack The Pony“ bis „Fresh Meat“). Armstrong hat aber auch für und mit Chris Morris und Armando Iannucci geschrieben, nicht zuletzt „Four Lions“, „The Thick of It“ und (wenn auch nur eine Folge) für die US-Weiterentwicklung von „The Thick of It“, „Veep“, die brillante Polit-Satire mit Julia Louis-Dreyfus, die nach der nächsten Staffel leider zuende gehen wird.

Kein Wunder also, dass diese Tonalität auch bei „Succession“ vorherrscht: der späte Stil der Mockumentary, der sich des dokumentarischen Blicks bedient (Wackelkamera, kleine, schnelle Zooms), ohne aber meint, die Anwesenheit eines Kamerateams erklären zu müssen, schnelle, scharfe Dialoge mit viel Wortwitz und realistische Szenarien und Charaktere, mit denen man viel mehr empathisch sein kann als mit durchschnittlichen Sitcom-Figuren.

Diese Empathie allerdings macht Armstrong dem Zuschauer nicht leicht. Denn die Familie unter dem Patriarchen Logan Roy (Brian Cox) ist durchaus deformiert. Der natürliche Nachfolger, der zweitälteste Sohn Kendall (Jeremy Strong, „Masters of Sex“) erscheint nicht nur seinem Vater schwach (Drogen, Scheidung), zu schwach, um den Konzern zu führen, also desavouiert der Alte ihn und übernimmt kurzerhand selbst wieder die Geschäftsführung. Kendalls kleiner Bruder Roman (Kieran Culkin, dem man die Verwandtschaft mit Macauly Culkin deutlich ansieht) pfeift sich nicht nur noch mehr Drogen rein als Kendall, sondern ist auch noch ein ausgemachtes, wenn auch sehr komisches, weil scharfzüngiges, Arschloch. Die Schwester Shiv (Sarah Snook) neigt ohnehin mehr zur politisch anderen Seite und unterstützt einen politisch verfeindeten US-Senator bei seiner Kandidatur zum Präsidenten, bleibt aber in ihren daddy issues gefangen. Und der älteste Sohn Connor (Alan Ruck, „Ferris Bueller’s Day Off“) hat sich in sein Wolkenkuckucksheim zurückgezogen, um in Ruhe mit seiner Escort-Beziehung („Sie ist Schauspielerin!“) auf einer Farm in Texas zu leben.

Wie in jeder Serie um Superreiche seit „Dynasty“ geht es auch in „Succession“ um Intrigen, Machtverhältnisse, feindliche Übernahmen, Verschwörung und Erpressung, um gierige Einheirater und verhängnisvolle Affären, um Leichen im Keller und Familiengeheimnisse, um die ganz normalen Sorgen von Milliardären eben. Alles vor dem Hintergrund der Nachfolge bei FOX, hups, nein, bei Royco natürlich. Für Royco und den Weg des Konzerns in die Zukunft hat Kendall einige gute (oder „gute“?) Ideen (Internet!), die allerdings denen seines Vaters (mehr Fernsehstationen!) diametral entgegengesetzt sind.

Die Deformation durchs Kapital wird hier deswegen so brutal spürbar, weil alle Figuren sich etwas, nun ja, ganz Normales erhalten haben. Allen voran der Patriarch selbst, der lieber im Wolljanker die Vorstandssitzung leitet als im Anzug. Den zu früh erfahrenen Reichtum, dass er den Weg zur Arbeit öfter mit dem Helikopter denn mit der U-Bahn genommen hat, spielt niemand besser als Kieran Culkin, eine Traumbesetzung, und dass auch an den Denkmälern der wichtigsten Manager einmal „Immer noch eine Enttäuschung für seinen Vater“ stehen wird, drückt Jeremy Strong verblüffend gut aus.

Die Nähe zu „Veep“ wird am Deutlichsten in der Figur des ewigen Praktikanten (und Cousins) Greg Hirsch (Nicholas Braun), der so groß ist, wie er schwach und tollpatschig ist: da sieht und hört man sehr den Jonah Ryan (Timothy Simons) durch, der in „Veep“ als Verbindungsmann zum Weißen Haus ständig mit den Mitarbeitern von Celina zusammenstößt.

Aber „Succession“ ist völlig eigenständig: die Geschichte eines Generationenkonflikts in einer Superreichendynastie, ernst gemeint, aber komisch erzählt. Mitunter hasst man die Charaktere allesamt vielleicht ein bisschen zu sehr — der Verzicht auf auch nur eine an sich sympathische Figur macht „Succession“ stellenweise anstrengend. Aber gute Satire darf auch ein bisschen anstrengend sein, dafür gibt es HBO schließlich. Die haben nun, trotzdem „Succession“ kein Quotenhit war, eine zweite Staffel bestellt. Sehr zu meiner Freude, denn mit dem Ende der Serie hat Armstrong es geschafft, sowohl ein zufriedenstellendes Finale dieser Staffel zu finden als auch genügend Bälle in der Luft zu halten, dass man sich eine zweite Staffel vorstellen kann.

Bedauerlich finde ich einzig und allein den fortgesetzten Brain Drain aus Großbritannien. Offenbar ist nun auch Jesse Armstrong in den USA angekommen. So sehr ich ihn wie Iannucci, Sharon Horgan (mit „Divorce“ ebenfalls bei HBO), Julia Davis (demnächst mit „Sally4Ever“ dito bei HBO), Simon Pegg, Sacha Baron-Cohen, Steve Coogan, Gervais, Merchant und all die anderen dazu beglückwünsche und es verstehen kann, dass man Erfolg in den USA sucht, so sehr würde ich mir wieder mehr gute komische britische Fernsehserien wünschen.

Emmy-Nominierungen 2012: Am besten nichts Neues

Die Emmy-Nominierungen sind raus, und insbesondere in puncto Comedy hat die Academy alle auch nur ansatzweise innovativen Shows weiträumig umfahren — auch wenn sich etwa Louis C.K. offenbar selbst keinen Gefallen getan hat.

Die (Nominierungs-)Abräumer des Jahres sind zum größeren Teil seit Jahren geläufig: „Modern Family“ (ABC) ist 14 Mal (!) nominiert, „30 Rock“ (NBC) ganze 13 Mal; neben diesen beiden sind noch der Mainstream-Krempel „Big Bang Theory“ (CBS) von Chuck „Two and a Half Men“ Lorre sowie der Klassiker „Curb Your Enthusiasm“ (HBO) als beste Comedyserien nominiert.

Nicht prominent vertreten unter den Nominierungen ist dagegen die für meine Begriffe phantastisch komische Meta-Sitcom „Community“ (NBC), die eine einzige eher versteckte Nominierung für „Outstanding Writing“ erhalten hat (für die brillante Folge „Remedial Chaos Theory“); das gleichfalls hochkomische „Parks And Recreation“ (NBC) ist ebenfalls lediglich für eher abseitige Auszeichnungen nominiert wie „Outstanding Writing“, „Outstanding Special Class – Short-format Live-Action Entertainment Programs“, „Outstanding Sound Mixing For A Comedy Or Drama Series (Half-Hour) And Animation“ (ja, das gibt es wirklich) und, nun gut, Amy Poehler ist nominiert als „Outstandin Lead Actress In A Comedy Series“.

Louis C.K. hat sich, wenn man dem Blogger und Comedy-Veteran Ken Levine Glauben schenken darf, mit der Auswahl seiner eingereichten Folge „Louie“ (FX) ins Knie geschossen:

There were better, funnier episodes he could have submitted. The first one he offered opens with him waiting at a subway platform. There’s a violinist playing furiously for five minutes and a homeless guy showering by pouring bottled water on himself. This goes on endlessly. Then the subway arrives. We see the refuge of New York City. On a seat there is some disgusting sludge. People stare at it. Louie finally gets us, takes off his jacket, and mopes up the disgusting mess. If you’re a LOUIE fan, I’m fan this was all rollicking. But if you’re not, or you’ve heard good things but were sampling the show for the first time, I think by the seven-minute mark you were done.

Immerhin ist auch Louis C.K. wenigstens zweimal nominiert, für Regie und Drehbuch.

Weitere Überraschung dieses Jahr: „Veep“ (HBO) ist prominent vertreten, obwohl Armando Iannuccis Politsatire um die Vizepräsidentin der USA (gespielt von Julia Louis-Dreyfus, auch als Outstanding Lead Actress In A Comedy Series nominiert) für meine Begriffe nicht so recht funkioniert hat: Dass sich Amerikaner so angiften, wie es für Briten selbstverständlich erscheint, will mir nicht recht einleuchten — zu niedrig erscheinen mir die amerikanischen Hierarchien, als dass auf diesem Weg Komik erzeugt werden könnte, wie es in „The Thick of It“ sehr einleuchtend funktioniert hat.

Viel interessanter als die Comedy-Nominierungen aber sind die für Drama: da rangeln mit „Boardwalk Empire“ (HBO), „Breaking Bad“ (AMC), „Downton Abbey“ (wegen der Ausstrahlung auf PBS trotz britischer Herkunft nominiert), „Games of Thrones“ (HBO), „Homeland“ (Showtime) und „Mad Men“ (AMC) gleich sechs Schwergewichte um die Auszeichnung „Outstanding Drama Series“. Favoriten hier „Mad Men“ mit 17 Nominierungen — und „American Horror Story“ (FX). Letzteres bleibt mir unbegreiflich, denn „American Horror Story“ war wirklich Car Crash TV: So schlecht, dass man nicht wegschauen konnte.

Wer noch mehr wissen möchte: DWDL berichtet ausführlich, und hier gibt es ein .pdf mit allen Nominierungen auf ingesamt 40 Seiten. Viel Spaß.