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Jahresendabstimmung – die Auswertung

21. Dezember 2015 1 Kommentar

Die Polls sind geschlossen und wir haben zwei Gewinner: „W1A“ (2. Staffel) ist die beste Britcom 2015, und „Fargo“ (ebenfalls die zweite Staffel) das beste US-ComedyDrama des Jahres!

Mich überrascht der Sieg von „W1A“ (BBC2, seit 2014) deutlich mehr als der von „Fargo“, und vor allem der klare Abstand, mit dem die Satire auf den Arbeitsalltag in der BBC vor der zweitplatzierten Serie liegt: acht Stimmen Vorsprung auf „Episodes“, das hat jedenfalls mehr Aussagekraft als der Unterschied zwischen „Fargo“ und „Better Call Saul“ (drei Votes), den ich eher so werten würde, dass beide Serien gleichermaßen die Herzen der Serien- und Comedy-Freunde erobert haben. Sehr zu Recht, versteht sich.

Dass „W1A“ aber gewonnen hat, eine Serie, die doch als recht sophisticated gelten kann, freut mich. Die Chemie zwischen Hugh Bonneville als „Head of Values“ Ian Fletcher und Jessica Hynes‘ Siobhan Sharp als „Brand BBC Consultant“ stimmt einfach: er als eine Art unerschütterlicher Golden Retriever, sie als überspannter PR-Pudel, und dann all die unvermeidlichen Missverständnisse, die die Zusammenarbeit von so unterschiedlichen Charakteren mit sich bringt — das hat John Morton („Twenty Twelve“, „People Like Us“) als Writer/Director sehr schön inszeniert.

„Episodes“, mit der vierten Staffel dieses Jahr auf Platz zwei im Britcoms-Ranking, hat zwar tatsächlich eine sehr solide und komische Staffel abgeliefert, ich persönlich hätte allerdings „Catastrophe“ und „Detectorists“ höher bewertet; beides Serien, die mit erkennbar minimalem Budget und umso deutlicherer persönlicher Handschrift von Mackenzie Crook („The Office“, „Pirates of the Caribbean“) und Rob Delaney/Sharon Horgan versehen waren. Insbesondere von „Detectorists“ würde ich mir eine dritte Staffel wünschen, die die BBC Crook auch angeboten hat — der allerdings ist sich wohl nicht sicher, ob es genügend zu erzählen gäbe. Berechtigterweise, denn genau betrachtet war auch der diesjährige Handlungsbogen um einen jungen Deutschen, der nach dem Flugzeug sucht, mit dem sein Großvater im Zweiten Weltkrieg abgeschossen wurde, ja schon am Rande der Glaubwürdigkeit.

Apropos kleine Serien: Warum eigentlich hat Peter Kays „Car Share“ so schlecht abgeschnitten? Kay gehört in England zu den ganz Großen, und auch hier im Blog sind seine Serien immer wieder gebührend beachtet worden („Phoenix Nights“ gehört nach wie vor zu den Britcoms, die ich hoch schätze). War „Car Share“ also zu still? Kay zu lange weg vom Bildschirm? Das Setting zu unspezifisch? Zwischen „Cucumber“ und „Chewing Gum“ zu landen, das hätte ich von „Car Share“ jedenfalls nicht erwartet. Und „Cradle to Grave“, Kays zweite Sitcom des Jahres, ist sogar noch schlechter bewertet worden.

Keine Überraschung, wie gesagt, dass „Fargo“ und „Better Call Saul“ so gut abgeschnitten haben: beide haben tatsächlich phantastische Staffeln abgeliefert. Dass ich „Fargo“ ebenfalls knapp vor „Better Call Saul“ einordnen würde, kann einfach daran liegen, dass „Fargo“ erst unlängst zuende gegangen ist und mir noch in frischerer Erinnerung als „Better Call Saul“; aber wenn ich argumentieren müsste, würde ich sagen: „Fargo“ war auch die komischere Serie. Zum einen hatte sie die schöner überzeichneten Charaktere, namentlich Kirsten Dunsts Peggy Blumquist, die zu Beginn erstmal enorm genervt hat, bevor sie immer tiefer und in ihrer Fokussiertheit sympathisch wurde, aber natürlich auch Nick Offermans Karl Weathers. Seine volltrunkenes Plädoyer in der sechsten Folge war sicher einer der Höhepunkte des ganzen Fernsehjahres.

„Better Call Saul“ auf der anderen Seite hatte dafür das realistischere Setup, war weniger comicartig grell, dafür an vielen Stellen dramatischer. Möglicherweise genau deswegen hatte „BCS“ auch die für sich genommen größeren Lacher — der comic relief ist einfach stärker, wenn man in die Charaktere mehr investiert ist. Und da konnte „BCS“ immerhin auf Figuren zurückgreifen, die den meisten Zuschauern ja doch über die fünf Staffeln „Breaking Bad“ ans Herz gewachsen sein dürften.

Wo wir gerade dabei sind: Die Tendenz zu immer mehr Franchise übrigens finde ich nicht durch die Bank begrüßenswert. Die beiden höchstplatzierten US-Serien greifen auf lange etablierte Marken zurück („Breaking Bad“, den Film „Fargo“ von 1996), wo im Kino längst kaum noch etwas anderes läuft („Star Wars“, James Bond, die Peanuts, all die Superheldenfilme, die ich kaum auseinanderhalten kann …). Ich persönlich freue mich ja hin und wieder auch auf neue, originale Geschichten.

Überrascht bin ich bei den US-Serien noch vom vergleichsweise guten Abschneiden der letzten Staffel „Community“, die mich nicht mehr hinter dem Ofen hervorgelockt hat. Dass die besser abgeschnitten hat als die finale Season „Parks and Recreation“, als „Master of None“, „Happyish“ und „Modern Family“, finde ich … interessant. Ebenso das schlechte Abschneiden von „Transparent“, das sicher nicht schlechter war als die letzte Staffel „Orange is The New Black“. Allerdings haben beide Serien so wenige Stimmen, dass das Ergebnis wohl kaum repräsentativ ist.

Vielen Dank jedenfalls an alle, die abgestimmt haben — dass manche mehrfach abgestimmt haben, stört mich nicht im geringsten; große Begeisterung für eine Serie darf sich ruhig auch im Abstimmungsergebnis widerspiegeln, finde ich. Hat mich gefreut, dass immer noch so viele dieses kleine Blog lesen und über Serien diskutieren, die (jedenfalls was die überwiegende Anzahl der britischen Sitcoms angeht) hierzulande fast niemand je zu Gesicht bekommt, der sich aufs reguläre Fernsehen verlässt. Ich hoffe, wir sehen uns nächstes Jahr wieder und finden auch 2016 viele schöne Britcoms, über die es zu schreiben und zu lesen lohnt!

Die Britcoms des Jahres 2015

29. November 2015 5 Kommentare

Dieses Jahr stehen, weil ich mein Blog übers Jahr ein wenig vernachlässigt habe, wohl doch ein, zwei Neuigkeiten in dem alljährlichen Humorkritik Spezial, das gerade in der Dezemberausgabe der Titanic erschienen ist.

FUCK POLITICS!

Zu welchen Waffen soll politische Comedy noch greifen, wenn sie von der Wirklichkeit so in den Schatten gestellt wird wie unlängst in Großbritannien geschehen? Kein Wunder, dass sich die Britcoms des Jahres vollends ins Private verabschiedet haben.

David Cameron und das #piggate: Wenn die Wirklichkeit erst einmal so weit ist, dass in den Köpfen von Millionen Menschen Bilder vom Penis des ersten Mannes im Staate in der Schnauze einer toten Sau entstehen, dann hat die Comedy ein Problem. Dann haben nämlich die Nachrichten zur Satire aufgeschlossen: 2011, in der ersten Folge „Black Mirror“ (Channel 4) malte Charlie Brooker aus, wie eine englische Prinzessin entführt wird und die Forderung der Erpresser eben die ist: dass der Premier (Rory Kinnear) live im Fernsehen ein Schwein, nun ja, beglückt. Worauf dieser, nachdem er die Sympathien der Öffentlichkeit verliert, schließlich eingehen muss. So verblüffend waren die Parallelen, dass Brooker sich genötigt sah zu erklären, er habe selbstverständlich von diesem Detail aus Camerons Biographie nichts gewusst. Woher auch.

Life imitates art: Wenn selbst derart drastische Scherze in den Bereich des Möglichen rutschen, was bleibt da der Britcom noch übrig? Die politischen Sitcoms 2015 jedenfalls suchten ihr Heil darin, zu einer harmloseren, einer realistischeren Realität zurückzukehren: die „Ballott Monkeys“ (Channel 4) von Andy Hamilton und Guy Jenkin („Outnumbered“) hielten sich vorwiegend in den Omnbiussen von vier Wahlkampf-Teams auf, die bis zur General Election im Mai unterwegs waren und produzierten so eine dialoglastige Serie, die zwar recht komische Momente hatte, der Aktualität geschuldet aber keine große Halbwertszeit.

„Asylum“ (BBC4) dagegen nahm sich der Kasernierung eines egomanen Whistleblowers (Ben Miller) in einer Londoner Botschaft an (Julian Assange lässt grüßen) und bediente mit stark überzeichneten Figuren einen recht burlesken Humor — das allerdings nur mit sehr durchwachsenen Resultaten.

Die zweite Staffel „W1A“ (BBC2) dagegen, der wiederum sehr satirische Blick auf das Innenleben der BBC, war abermals brillant, womöglich sogar besser als die erste Staffel, und sicher die beste Serie unter den vorgenannten.

Das aber war’s dann auch mit politischer Satire. Der Rest: bleibt in der Familie.

„Boy Meets Girl“ (BBC2) etwa: Da hört man direkt schon im Titel das Understatement, mit dem prompt in der ersten Szene schon gebrochen wird. Denn das girl (39) ist in diesem Falle nicht nur deutlich älter als der boy (26), sondern war bis vor Kurzem noch ein Mann, jedenfalls dem äußerlichen Anschein nach. Dass „Boy Meets Girl“ aber trotz des großen Themas Transexualität eine old school Britcom ist: das ist genau die Größe dieser Serie, die zu den besten neuen Comedys des Jahres zählt. Denn mit dieser Normalität, ohne billige Witze mit Männern in Frauenkleidern, ohne dass die Protagonistin Judy (Rebecca Root, tatsächlich trans) dabei sad, bad or mad wäre, wie das Fernsehklischee es bis dato gebot, gab es tatsächlich noch keine Show über Transexualität. Auch Amazon Videos hochgelobtes „Transparent“ etwa kommt ja ohne melancholisch-problematisierende Töne nicht aus. Hier aber wurden in englischen Kritiken sogar Vergleiche mit „Gavin & Stacey“ (BBC3, 2007 – 10) gezogen, einer der wärmsten Familien-RomComs des letzten Jahrzehnts. Und in der Tat: Hie wie da sind es kulturelle Unterschiede (bei „Gavin & Stacey“ war ihre Familie aus der walisischen working class und seine aus der gehobenen Mittelschicht des Londoner Umlands), die für Reibung sorgen — aber eben absolut lösbare, praktische Konflikte, die keiner moralischen oder ethischen Diskussion bedurften, sondern dessen, was Engländer am Besten können: Diplomatie und Kompromisse. Fair play FTW!

Das nun ist die eine Möglichkeit, die viele DomComs des vergangenen Jahres nutzen: Das Familienleben mit einer ungewöhnlichen Idee aufzubohren. So tut es beispielsweise auch die zweite Staffel des ebenfalls sehr schönen „Catastrophe“ (Channel 4, siehe das Britcom-Humorkritik Spezial vom letzten Jahr), in dem Sharon (Sharon Horgan) und Rob (Rob Delaney) sich kaum kennen, aber zusammen ein Kind erwarten. Dieses Jahr ist schon das zweite da. Oder, und darauf sind verblüffend viele Britcom-Autoren 2015 gekommen, man bedient sich bei seiner Vergangenheit und verlegt gleich die ganze Serie in die Siebziger — oder adaptiert seine Kindheit in die Gegenwart.

So machen es die Schwestern Caitlin und Caroline Moran, erstere Times-Kolumnistin, in ihrer Sitcom „Raised By Wolves“ (Channel 4). Die beschreibt die Adoleszenz ihrer Autorinnen als fröhlich hippiesker Bodensatz der Gesellschaft ohne Schulbildung und Vater, dafür mit drei Geschwistern und einer Mutter mit ordentlich Durchsetzungskraft. Vor allem der 16jährigen Hauptdarstellerin Helen Monks als pummelige Germaine (Caitlin) ist es zu verdanken, dass „Raised By Wolves“ einer der Geheimtipps des letzten Jahres geworden ist: Monks’ Mimik und ihre Präsenz geben ihrer übersexualisierten Figur eine Energie, die ihre Dampfplauderei über ihre Vagina, ihre Periode und ihre notorische Geilheit auf einen gleichaltrigen bully zu einem komischen Trommelfeuer werden lässt, das nicht nur ihre Schwester (und vermutlich manchen Zuschauer), sondern auch ihre Mutter Della in den Wahnsinn treibt: „Living with you’s been like having a horny gorilla in the house.“ Immerhin können geile Gorillas ja auch sehr komisch sein. Wenn man nicht mit ihnen zusammenwohnen muss.

„The Kennedys“ (BBC1) und „Cradle To Grave“ (BBC2) dagegen verlegen ihren Schauplatz direkt in die Siebziger, aber während sich die „Kennedys“ (von Emma Kennedy autobiographisch angelegt) fast ein bisschen zu sehr auf alte Klischees (und das Talent von Katherine Parkinson) verlassen, lebt Danny Bakers ebenfalls autobiographische Serie, eine Art „Only Fools And Horses“ (BBC1, 1981 – 91) in den Siebzigern, von etwas authentischeren Tönen. Und von Hauptdarsteller Peter Kay („Phoenix Nights“).

Den ich allerdings für seine andere Sitcoms dieses Jahres mehr loben möchte: „Car Share“ (BBC1), eine Art Sitcom-Kammerspiel, das fast ausschließlich die Autofahrten zur Arbeit und nach Hause erzählt, bei denen John (Kay) seine Kollegin Kayleigh (Sian Gibson) zum Supermarkt mitnimmt, in dem sie beide arbeiten. Minimalistisch (heißt: kostengünstig), aber sehr komisch, weil ideenreich: Schon in der zweiten Folge etwa wird das Prinzip aufgebrochen, und wir finden die beiden nicht auf dem Arbeitsweg, sondern in einer Trauer-Kolonne für den verstorbenen trolley collector, der, wie es seinem Job entsprach, in einem Sarg auf einer Schlange Einkaufswagen seiner Beerdigung entgegengeschoben wird. Schön, dass Peter Kay nach Jahren der Bildschirmabstinenz wieder zu sehen ist.

Eine der bösesten Sitcoms des Jahres aber hat zwar einen Briten in der Hauptrolle: Steve Coogan, der im United Kingdom allmählich vermisst werden dürfte. Sie stammt aber aus den USA: „Happyish“ (Showtime) von Shalom Auslander. Sarkastischer wurden die Abgründe von Werbeagenturen nie beschrieben als hier, in diesem „Mad Men“-Antidot, das sich nicht zu schade ist, Coca Cola mit Faschismus gleichzusetzen. Aber dafür, dass es die ganze Zeit um Depressionen, Judentum und jugendliche, soziopathische Vorgesetzte geht, die Thom Payne (Coogan) das Leben zur Hölle machen, ist es doch ziemlich komisch geworden.

Genau das richtige für allzu besinnliche Weihnachtstage also.

Mangels Platz auf einer Doppelseite fehlen auch dieses Jahr natürlich wieder etliche Serien, unter anderen „Pompidou“ (BBC1) und „Sun Trap“ (dito BBC1), die diesjährigen Star-Vehikel für Matt Lucas („Little Britain“) respektive Kayvan Novak („Fonejacker“, „Four Lions“). Weil aber beide Serien derart medioker waren — erstere in ihrem Versuch, „Mr. Bean“ als verarmten Adeligen zu kopieren, letztere in ihrem Versuch, Novaks Wandlungsfähigkeit in einen hanebüchenen Schmarrn um einen Undercover-Journalisten in Spanien zur Schau zu stellen –, ist es (glaube ich) kein Verlust, dass sie hier nicht vorkommen.

Wer glaubt, es fehlt eine relevante Britcom des Jahres (etwa die neunte und letzte Staffel „Peep Show“, die derzeit läuft), schreibe das bitte in die Kommentare. Dann hole ich das ggf. nach und kann wengistens in der kommenden Jahresendabstimmung nochmal was dazu sagen.

Die Britcoms des Jahres 2014

28. November 2014 7 Kommentare

Alle Jahre wieder: das Dezember-Humorkritik Spezial über die interessantesten Britcoms der vergangenen zwölf Monate, soeben erschienen in Titanic. Für regelmäßig Leser dieses Blogs dürfte nicht allzu viel Neues drinstehen, aber das dafür in einem Text übersichtlich zusammengefasst. Ich habe mich dieses Jahr nicht mehr nach Neuerscheinungen von DVDs gerichtet, weil es mittlerweile ja doch zu viele Alternativen zu diesem Medium gibt — es muss also jeder selbst gucken, welche interessante Serie er auf welchem Weg beziehen möchte. Und zu Amazon verlinke ich ja eh schon lange nicht mehr.

GOOD BYE, GREAT BRITAIN!

Nicht nur Schottland hätte sich dieses Jahr beinahe aus dem United Kingdom verabschiedet, auch die Britcom ist mal eben ausgewandert: einige der besten englischen Comedys kommen dieses Jahr aus den USA.

2014 haben britische Schauspieler endlich wirklich alle wichtigen Positionen im US-Fernsehen besetzt. So weit ist es gekommen, dass nicht nur ur-amerikanische Sheriff-Klischees wie „The Walking Deads“ Hauptfigur Rick Grimes von einem Briten gespielt (Andrew Lincoln) werden. Selbst wenn eine US-Agenten-Serie „The Americans“ heißt, wird als Hauptfigur mal lieber ein Briten besetzt (Matthew Rhys), und auch „Masters of Sex“-Hauptfigur William Masters ist natürlich in Tat und Wahrheit Brite (Michael Sheen). Die kennen sich halt aus mit Sex.

Wenig überraschend also, dass die beste britische Sitcom im vergangenen Jahr gar nicht aus Großbritannien kam: „You’re The Worst“ (FX) ist zwar so unverstellt misanthrop und giftig, wie man es aus dem United Kingdom kennt, und hat einen britischen Hauptdarsteller (Chris Geere), der einen misanthropen Briten spielt. Ansonsten aber lief die Serie um zwei gefühlsblinde Thirtysomethings und ihre toxic relationship in den USA und spielt in Los Angeles, wo Jimmy (Geere) und Gretchen (Aya Cash) zwar erfolgreich sind, er als Buchautor („Congratulations, You’re Dying“), sie als PR-Frau einer Karikatur von einer Hip-Hop-Gang, aber unglücklich — kein Wunder, so neurotisch, bindungsunfähig und insgesamt schrechliche Menschen, wie sie sind. „You’re The Worst“ könnte zu einem komischen Generationen-Porträt werden, wie es „Spaced“ (Channel 4) vor 15 Jahren war — wenn, ja wenn die Serie ein bisschen erfolgreicher wäre. Im Moment hat sie nämlich kaum noch jemand gesehen. Aber FX war mutig genug, eine zweite Staffel in Auftrag zu geben.

Weitere Briten in den USA waren und sind die beiden Fernsehautoren Beverly und Sean Lincoln (Tamsin Greig und Stephen Mangan) in der dritten Staffel „Episodes“ (Showtime/BBC Two). Sie kämpfen noch immer gegen ihren egomanen Star Matt LeBlanc (Matt LeBlanc), haben aber im neuen Senderchef Castor Sotto (Chris Diamantopoulos) einen Antipoden, dessen unverstellter Wahnsinn die dritte Season „Episodes“ zur bislang besten macht. Martin Freeman wiederum hat es geschafft, als Brite einen archetypischen Ami zu spielen: nämlich den naiven Hillbilly Lester Nygaard in der exzellenten Fernsehversion von „Fargo“ (FX), die zwar Figurenzeichnung, Setting, etliche Motive und den Humor des Originals von den Coen-Brüdern übernommen hat, aber nicht die Story.

Umgekehrt haben 2014 auch einige Amerikaner den Weg nach Großbritannien gefunden: allen voran Robert B. Weide, Produzent und Regisseur von „Curb Your Enthusiasm“. Sein „Mr. Sloane“ (Sky Atlantic) zählt zu den besten Britcoms des Jahres. Weil Sloane aber erst vor Monatsfrist in der Humorkritik ausführlich besprochen wurde (Titanic 10/2014), verweise ich fix auf diesen a.a.O.

Mit Taylor Lautner, Star der „Breaking Dawn“-Reihe, in der Rolle des Sohns von „Cuckoo“ (BBC Three) haben Robin French und Kieron Quirke echtes Stuntcasting betrieben — und damit die Serie gerettet, die nach dem Abgang des ersten Cuckoo, Andy Samberg, schon den Bach hinunter schien: komisches Talent hätte in dem Teenagerschwarm Lautner vor „Cuckoo“ sicher kaum jemand vermutet — hat er aber, wie ich bestätigen kann.

Ohne US-Gaststars kommt dagegen „Detectorists“ (BBC Four) aus, die spröde-komische Sitcom um englische Metallsucher-Spinner. Mackenzie Crook (Freemans Counterpart in „The Office“) hat mit seiner ersten eigenen Serie als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller ein Schmuckstück von einer kleinen (i.e. billig produzierten) Serie geschaffen: melancholisch, leise, warm, mit liebenswert exzentrischen Versagern, die nach dem großen Schatz suchen. („Saxon hoard. It’s basically the holy grail of treasure hunting.“ — „Well, no. The holy grail is the holy grail of treasure hunting.“)

Das schwermütig-schöne Titellied von „Detectorists“ stammt übrigens von Johnny Flynn, der neben einem Gastauftritt ebenda die erste Geige in seiner eigenen Sitcom spielen darf: „Scrotal Recall“ (Channel 4). Deren größtes Manko liegt im Titel, denn zwar geht es durchaus darum, dass ein gewisser Dylan (Flynn) all seine Ex-Gespielinnen darüber informieren muss, dass er Chlamydien hat und sie sich besser mal untersuchen lassen sollten. Ansonsten aber ist „Scrotal Recall“ das Gegenteil von dem Schock-Humor, den man erwarten könnte, sondern eher sophisticated, beinahe erwachsen, aber jedenfalls mit real gezeichneten Figuren, deren Hauptproblem nicht in sexuell übertragbaren Krankheiten liegt, sondern eher in allzu großer Schüchternheit und Kompliziertheit.

Schüchternheit wiederum ist nicht das Problem von „Uncle“ (BBC Three). Andy (Nick Helm) ist so etwas wie die ungewaschene Version von Will Freeman aus „About a Boy“: er kommt als „Musiker“ (= Straßenmusikant) wie die Jungfrau zum Kind — in diesem Fall zum Sohn seiner drogenkranken Schwester, der das Gegenteil von Andy ist: spießig, altklug, allergisch gegen praktisch alles. Ein odd couple also, dem vom gemeinsamen Weiberaufreißen bis zum gemeinsamen Band-Gründen alles passiert, was auch in „About a Boy“ vorkommt. Und trotzdem muss man keine Sekunde an Hornbys Geschichte denken, weil „Uncle“ eben nicht annähernd realistisch ist, sondern immer larger than life, drastischer — und zum Glück auch komischer.

Wie nahe an der Realität „W1A“ (BBC Two) ist, ist dagegen schwer zu sagen: diese Mockumentary auf die BBC selbst (W1A ist die Anschrift des neuen BBC-Hauptgebäudes) jedenfalls führt einen Dauer-Unfall von einem Sender vor, in dem selbst und gerade die höchsten Positionen von Menschen besetzt werden, die keine Ahnung davon haben, was sie tun — im wörtlichen Sinne, denn der neue „Head of Values“ Ian Fletcher („Downton Abbeys“ Hugh Bonneville) hat nicht die geringste Vorstellung, was seine Aufgabe ist. Er weiß ja nicht einmal, wo sein Büro ist. Dass das ziemlich absurd und gleichzeitig vollkommen glaubwürdig scheint, ließe einen erschrecken, wenn man denn vor Lachen dazu käme.

Als bester englischer Fernsehexport in die USA hat sich 2014 aber John Oliver erwiesen, dessen Late-Night-News-Comedy (wenn man das so bezeichnen kann) „Last Week Tonight“ auf HBO sich mit langen, gleichermaßen tiefschürfend wie höchst komischen Nachrichten-Satiren sehr schön gegen „Daily Show“ und „Colbert Report“ (beide Comedy Central) profilieren konnte. Wenn es mit rechten Dingen zugeht, wird es ein solches Format vielleicht auch irgendwann einmal in Deutschland geben. Mein Tipp: gegen 2019, Anchorman: Jan Böhmermann. Wer hält dagegen?

Yeah, cool, brilliant, what?

5. April 2014 9 Kommentare

Vielleicht heißen Fernsehanstalten ja nicht zufällig Anstalten. Vielleicht sind die, die dort zu arbeiten glauben, ja tatsächlich vornehmlich Insassen.

Ian Fletcher (Hugh Bonneville, „Downton Abbey“), dem frisch gekürten Head of Values der BBC, kommt es sicher oft so vor. Auch wenn er natürlich zu höflich ist, um das je zu äußern. Aber das ist das Set Up, und es funktioniert wunderbar: ein Gesunder inmitten eines Haufens Irrer.

„W1A“ (BBC2, seit März) ist ein Spin off von „Twenty Twelve“ (BBC4, 2011-12), aus dem wir Ian Fletcher schon kennen: damals war er der Leiter der (fiktionalen) „Olympic Deliverance Commission“, der hauptsächlich mit PR-Unfällen zu kämpfen hatte — und mit Siobhan Sharp (Jessica Hynes), einer PR-Managerin, die in erster Linie durch leere Phrasen und Ahnungslosigkeit glänzte.

Nun hat es Fletcher zu BBC geschafft: als Leiter einer Position, die sich, wie es in der Serie einmal gesagt wird, mit den Werten von Werten beschäftigt. Genauer geht es leider nicht. Das ist eines der Probleme Fletchers. Dass er weder sein Büro findet noch weiß, ob er überhaupt eines hat, ist ein anderes.

Ian weiß nur, dass er „big thoughts“ denken soll. Er kommt nur leider nicht dazu. Denn ein Meeting jagt das nächste, und auf jedem werden noch mehr Phrasen gedroschen, Verständnis simuliert und PR-Unfälle produziert — nicht zuletzt von Siobhan Sharp, denn mit seiner Nemesis aus „Twenty Twelve“ kriegt Fletcher es abermals zu tun. Sie ist immer noch in der PR, und die Versuche ihrer Agentur, das BBC-Logo neu zu gestalten, gehören zu den schönsten Momenten der Serie bislang.

„W1A“ (so benannt nach der Anschrift des neuen Hauptsitzes der BBC in London, W1A 1AA) ist im selben Mockumentary-Stil gehalten wie der Vorläufer der Serie und wird auf die gleiche Weise getragen von einer heiteren Freundlichkeit, die sich auch in der Stimme des Narrators aus dem Off widerspiegelt (abermals David Tennant). Die meisten Senderleute sind äußerst zuvorkommend und höflich — und genau das macht den absurden Quatsch, den sie reden, so lustig.

Vor allem die Chemie zwischen Bonneville und Hynes ist fantastisch, wie überhaupt die Figur der nervigen Siobhan (gesprochen wie Yvonne, nur mit einem Sch-Laut am Anfang) ein Geniestreich in der Parodie von PR-Knalltüten ist. „Let’s ride this train. Let’s nail the puppy to the floor.“

Tatsächlich gefällt mir „W1A“ besser als „Twenty Twelve“. Das mag daran liegen, dass ich mit Fernsehen und einer Satire auf die Abläufe und Charaktere hinter den Kulissen mehr anfangen kann als mit den Olympischen Spielen und ihrer Organisation. Vielleicht sind aber auch die Charaktere hier genauer gezeichnet, vielleicht bietet die BBC als Setting mehr Möglichkeiten als eine ominöse Olympiade-Taskforce, von der zumindest ich gar nicht genau wusste, wo sie angesiedelt sein sollte.

Hier ist allein der merkbefreite, aber nette Praktikant Will (Hugh Skinner) eine brillante Figur: in seinem permanent Zustimmungsbedürfnis sagt er zu allem ja — bzw. „all right, cool, ok, good idea, yeah, I see, say again?“, weil er es dann doch nicht verstanden hat. So dass Dialoge wie dieser im Aufzug mit Ian dann immer so verlaufen, dass man sich nie sicher sein kann, ob man gerade aneinander vorbeigeredet hat oder nicht (Erfahrungswert: meistens ja):

WILL
…yeah, cause, I’m actually, like, an intern.

IAN
Ah, all right. I see. What does that involve exactly?

WILL
Yeah. Say again?

IAN
You want to end up working in this area, eventually?

WILL
Wha-, you mean, as a job?

IAN
Well, yes.

WILL
Yeah, cool.

IAN
Yes.

Ein Prinzip, das aber nicht nur auf Prakikantenebene funktioniert, so dass Will eine große Karriere bei der BBC bevorstehen dürfte.

Leider hat John Morton („People Like Us“) nur vier Folgen dieser hübschen Satire machen dürfen; die letzte läuft am Mittwoch, und sie wird abermals erst haarsträubend lustig sein, und dann ein bisschen traurig machen, wenn man an die Öffentlich-Rechtlichen Anstalten hierzulande denkt. Aber dazu steht an anderer Stelle ja schon genug Trauriges.