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Artikel Tagged ‘Weeds’

Giftige Romcom

16. September 2014 3 Kommentare

Toxic nennen Amerikaner, für die soziale Begegnungen ja gar nicht oberflächlich freundlich genug sein können, solche Mitbürger, deren Stinkstiefeligkeit alle Menschen in ihrer Umgebung „runterzuziehen“ droht. Quietschvergnügt muss das Sozialleben ja mindestens sein in den USA, und wer seine Umwelt nicht permanent mit guter Laune ansteckt, sondern ein Miesepeter ist, ein mürrischer Brummkopf oder gar Engländer, der wird geschnitten, kriegt keine Weiber ab und kann sich schon freuen, wenn er zur Hochzeit seiner Exfreundin eingeladen wird.

Wenn er dann doch eine abkriegt, die gerade Bock auf einen sinnlosen One Night Stand hat, weil sie Hochzeiten deprimierend findet, und sich aus diesem One Night Stand dann eine (Nicht-) Beziehung entwickelt, die „kompliziert“ zu nennen eine schamlose Untertreibung wäre: dann ist das Rezept für eine Sitcom gefunden, die auf dem amerikanischen Markt gerade ziemlich einzigartig ist.

„You’re the Worst“ (FX, gerade sind neun von zehn Folgen gelaufen) erzählt die Geschichte dieser, genau: toxic relationship, also die Geschichte von Jimmy Shive-Overly (Chris Geere), einem englischen Jungautor in Los Angeles, und Gretchen (Aya Cash), der PR-Frau einer schwer angesagten schwarzen HipHopper-Bande. Beide sind recht erfolgreich, zumindest hat Jimmys Vorschuss auf sein erstes Buch für ein schniekes Haus gereicht, und Gretchen hat jederzeit genügend Kohle für Drogen auf der Naht.


Beide funktionieren also, wie es sich für anfang Dreißigjährige in L.A. (und auch überall sonst) gehört; aber beide sind emotional taub und blind, könnten ihre Gefühle kaum benennen, wenn sie denn welche hätten, und würden sie aber auch dann verleugnen, wenn sie welche hätten und sie benennen könnten.

Stattdessen haben sie schon mit Anfang Dreißig das Konzept von festen Beziehungen begraben — und müssen sich, als sie einander als verwandte Geister erkannt haben, umso quälender an den kleinsten Dingen abarbeiten, die Paare so tun: zusammen aufwachen, Schlüssel tauschen, die gemeinsamen Sonntags-Aktivititäten gegen nervtötende Hipster verteidigen.

Zum Glück schafft es Creator Stephen Falk, der schon für das hervorragende „Orange is the New Black“ (Netflix seit 2013) und „Weeds“ (Showtime, 2005 – ’12) geschrieben hat, Jimmy und Gretchen nicht als die ungehobelten, narzisstischen, lauten dreißigjährigen Pubertierenden erscheinen zu lassen, die sie sind — nun ja, jedenfalls nicht nur. Er stellt ihnen Jimmys Hausmitbewohner Edgar (Desmin Borges) zu Seite, einen an PTSD leidenden Veteran, der trotz seiner Heroin- und Medikamentenabhängigkeit die verständigste, mitfühlendste, sympathischste Figur der Serie ist, immer um Jimmy und Gretchen und ihre Beziehung besorgt, und Lindsay (Kether Donohue) als Gretchens beste Freundin, die längst bereut, dass sie einen spießigen Langweiler geheiratet hat, um finanziell abgesichert zu sein.

Dank dieser Nebenfiguren ergibt sich nämlich ein größeres Bild: eines von einer Generation, die sich zwischen beruflicher und existenzieller Anpassung und innerer Leere aufreibt, an sich selbst leidet und damit ihren Mitmenschen gehörig auf die Nerven geht. Im wirklichen Leben möchte man nämlich weder Gretchen noch Jimmy begegnen (z.B. im Kino).

Allerdings möchte man den meisten Figuren dieser Serie nicht im wirklichen Leben begegnen: weder dem noch egozentrischeren Filmregisseur, mit dem Gretchen hin und wieder schläft, noch den schwarzen Hip Hoppern, von denen einer Shitstain heißt und die insgesamt enorm von Donald Glovers Troy Barnes in „Community“ profitieren. Schon gar nicht aber den Hütchen-Hemdchen-Bärtchen-Hipstern, die schamlos Edgars „Funday“-To-Do-Liste abkupfern (obskurer Plattenladen, Nackenmassage im Park, versteckter Taco-Stand).

Bedauerlich, dass „You’re the Worst“ noch nicht die Aufmerksamkeit gefunden hat, die die Serie verdient (in den USA im Schnitt nur eine halbe Million Zuschauer), denn die könnte, wenn sie sich so weiterentwickelt, durchaus mit „Parks and Recreation“ oder dem US-„The Office“ mithalten. Mit Alex Hardcastle ist auch schon ein (britischer) Regisseur genau dieser Serien an Bord, der außerdem schon bei „Lead Balloon“ und „Not Going Out“ Regie geführt hat, und ebenso Matt Shakman, der schon bei „Mad Men“, „Six Feet Under“, „House M.D.“ und „It’s Always Sunny in Philadelphia“ auf dem Regiestuhl saß.

Vielleicht lösen dann Jimmy und Gretchen am Ende noch „Communitys“ Britta ab, von der es ja nun bislang immer hieß: You’re the worst. Sechs Staffeln und einen Film, bitte!

Blick in die USA: „Breaking Bad“ – die Chemie stimmt

17. April 2009 3 Kommentare

Aus strahlend blauem Himmel segelt eine beige Herrenhose und bleibt auf einem Feldweg mitten in der Wüste liegen; ein dinosauriergroßes Wohnmobil rast darüber weg. Im Wohnmobil liegen zwei leblose Menschen, allerhand Laborgerät purzelt durcheinander, bis der Mann am Steuer, nur mit Unterhose und Gasmaske bekleidet, die Kontrolle verliert und den Wagen in den Graben fährt. Er springt aus dem Gefährt, in welchem er seinen bewußtlosen und ebenfalls mit Gasmaske angetanen Beifahrer zurückläßt, streift sich wenigstens ein Hemd über, holt eine großkalibrige Pistole aus dem Wohnmobil und stellt sich, nachdem er letzte Worte an seine Familie in eine Videokamera gesprochen hat, mit der Waffe im Anschlag dem lauter werdenden Sirenengeheul auf der Straße entgegen.

Das ist die erste Szene von „Breaking Bad“ (AMC 2008 – ), und wenn ich diese Serie für nur einen ihrer zahlreichen brillanten Drehs loben müßte, dann dafür, daß sie den Einfall hatte, den Cliffhanger vieler Episoden je an den Anfang der Folge zu stellen: Denn nach dieser furiosen Eröffnung wird erst einmal erklärt, wie der fünfzigjährige Chemielehrer Walter White, der Mann in der Unterhose, an diesen Punkt seines Lebens kam. Dazu braucht „Breaking Bad“ nicht einmal die ganze erste Folge —  schon nach einer guten dreiviertel Stunde sind wir wieder im staubigen Hinterland New Mexicos und fragen uns, was da jetzt wohl kommen mag: Wenn schon in der ersten Folge die Dr. Jekyll/Mr. Hyde-Transformation eines biederen amerikanischen Untere-Mittelschichtsbürgers in einen höchst kriminellen Crystal-Meth-Koch eingetreten ist, die Verwandlung eines Biedermannes in eine loose cannon?

Da kommt noch einiges. Und wenn ich nicht sehr irre, hat „Breaking Bad“ das Zeug dazu, die nächsten „Sopranos“ zu werden. Die Vorstadtdealergeschichten von „Weeds“ jedenfalls (der naheliegendste Vergleich) läßt es sehr schnell hinter sich; und „Weeds“ war gut (na, die ersten zwei Staffeln jedenfalls). Daß „Breaking Bad“ noch besser ist, liegt zum einen an dem ausgezeichneten Bryan Cranston, der den Vater in „Malcolm in The Middle“ gespielt hat und hier zu oscarreifer Form aufläuft. Es liegt selbstverständlich aber auch an dem Creator Vince Gilligan, der schon für die „X-Files“ geschrieben hat und hier ein düsteres ComedyDrama aufmacht. Die Betonung liegt hier auf Drama (in der ersten Epsiode ist kein lauter Lacher), dessen filmische Umsetzung aber ist oft die einer Komödie: Humor als comic relief für allzu gewalttätige, krasse Momente, an denen „Breaking Bad“ nicht arm ist. Und die starke Identifikation mit Walter, der im harten Drogengeschäft ein fish out of water par excellence ist und mit seinem viel jüngereren Compagnon eine Neuinterpretation des odd couple darstellt, sorgt für so viel kriminelle Sympathie, daß man ihm auch zutiefst unmoralische Taten ohne weiteres verzeiht. Nicht zuletzt die tolle Kamera- und Regiearbeit mit vielen Zeitraffer-Sequenzen und hübschen visuellen Einfällen bspw. zur Umsetzung von Drogenräuschen (ich mußte öfter mal an die Crystal Meth-Komödie „Spun“ denken), das gute Ensemble (etwa der unter Kinderlähmung leidende RJ Mitte als Walter White jr.) und der erkennbare Wille zu einem Realismus was die Gefährlichkeit, aber auch die Anziehungskraft von Methamphetaminen ausmacht, heben „Breaking Bad“ weit über das Gros amerikanischer TV-Serien.

Bevor ich ins Detail gehe und Spoiler folgen lasse, noch ein paar Informationen für alle, denen diese Beschreibung schon reicht, um einige der besten Serienabende des Jahres beim Onlinehändler ihres Vertrauens in Auftrag zu geben: Es gibt eine deutsche DVD-Ausgabe, denn „Breaking Bad“ ist bis vor kurzem auf dem PayTV-Sender AXN gelaufen, und die Synchronisation scheint (ausgerechnet bis auf die Stimme der Hauptfigur) auch okay zu sein; die erste Staffel hatte wegen des Autorenstreiks nur sieben Folgen statt geplanter neun; die zweite Staffel läuft in den USA gerade und eine dritte ist schon in Auftrag.

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